Ein neugeborenes Kind verändert die Menschen und verändert ihre Welt.
Geburt - ein „Fest“ der Sinne und Gefühle
Das ganze Leben wird irgendwie leiser angesichts des Neugeborenen - auch wenn das Kind gelegentlich ganz kräftige Lebenszeichen von sich gibt. Man horcht und lauscht, schaut und betrachtet es - am liebsten stundenlang -, man tastet, fühlt, riecht - und man staunt über dieses wunderbare Geschöpf. Schließlich stellt sich ein ganz überwältigendes Grundgefühl ein, wenn die Geburt gut verlaufen ist: Freude und Dankbarkeit. Um wie viel reicher wird aber doch das Leben der Eltern durch das Neugeborene! Wir sprechen daher nicht zufällig vom „Kindersegen“.
Ich möchte hier aber nicht nur harmonisieren, denn eine Geburt ist für eine Mutter alles andere als ein Kinderspiel. Eine Geburt ist verbunden mit großen Schmerzen und einer gewaltigen Anstrengung, ja irgendwie ist es eine Grenzerfahrung. Auch für die Väter, die bei der Geburt dabei sind und dabei oftmals ihre Hilflosigkeit und Ohnmacht spüren.
Ein neugeborenes Kind verändert die Menschen und verändert die Welt.
Das ist ja das große Thema des Weihnachtsfestes, dem ich mich auch einmal ganz bewusst auf dieser Ebene des menschlichen Lebens und Erlebens zu nähern versucht habe. Und ich kann dabei sehr viele Anhaltspunkte, Bilder und Ähnlichkeiten entdecken, wenn ich diese menschlichen Erfahrungen auf das Geheimnis und die Botschaft von Weihnachten übertrage. Nicht im Buch eines großen Theologen, sondern im Buch einer deutschen Hebamme über die Zeit vor, während und nach der Geburt bin ich auf zwei großartige Gedanken gestoßen, die mich zum Weiterdenken angeregt haben.
Sie schreibt da einmal folgendes: "Gebären heißt das Innerste nach außen kehren." Man kann wohl nicht schöner und prägnanter darauf hinführen, was die zentrale Botschaft von Weihnachten ist!
Sein Innerstes nach außen kehren
In der Geburt des Gottessohnes kehrt Gott sein Innerstes nach außen, er zeigt uns sozusagen seinen innersten Kern. Der große Gott zeigt sich und leuchtet auf in einem kleinen, hilflosen und angewiesenen Kind. Er trägt einen menschlichen Namen, ein menschliches Gesicht. In Jesus wird Gott ganz Mensch und in dem, wie Jesus ist und was er tut, wird deutlich, wie Gott in seinem Innersten ist. Gottes Größe zeigt sich im Kleinsten. Im Jesuskind vertraut er sich den Menschen an, gibt sich in ihre Hände und schreibt sich in ihr Herz.
Sich auf den Weg nach unten machen
An einer anderen Stelle findet sich im Buch dieser Hebamme noch ein zweiter außerordentlich ansprechender Gedanke. Da heißt es: "Geboren werden" heißt "sich auf den Weg nach unten machen müssen". Der Weg ins Leben ist verbunden mit einem "hinabgehen" und einem "sich beugen müssen". Das Kind muss bei der Geburt eine extreme Beugung machen, um den Übergang von der Gebärmutter in die Beckenhöhle zu schaffen und schließlich nach draußen, also ins Leben zu finden.
In seiner Menschwerdung hat Gott den Weg nach unten beschritten und er zeigt auch uns diesen Weg an. Auch die Hirten - und später dann die Könige - verbeugen sich vor dem Gotteskind. Man könnte diese Haltung auch mit dem für viele altmodisch klingenden Wort "Demut" beschreiben.
Mit beiden Beinen auf der Erde stehen
Demut heißt im Lateinischen "humilitas". Da steckt das Wort Humus, also Erde drinnen. Demütig sein heißt also auf die Erde kommen, erdverbunden, mit beiden Beinen auf der Erde stehen. Demütig sein heißt nicht: "total unterwürfig sein", auch nicht: "in irgendwelchen Sphären schweben", sondern ganz im Leben stehen - die Realität sehen und sich dieser Realität stellen.
Wenn Gott in uns geboren werden soll, dann kann das auch ein Prozess sein, der mit Schmerzen verbunden ist und mit einer großen Anstrengung, weil wir uns der eigenen Realität stellen müssen. Aber um wieviel reicher wird unser Leben durch das, was in uns dann lebendig wird!
Heilsame Unruhe
Es stiftet eine heilsame Unruhe, wenn wir einen genauen Blick auf die Realität der Geburt des Gottessohnes werfen, denn diese war alles andere als eine rosige: keine Herberge - außer in einem Stall - und das Kind liegt in Windeln gewickelt in einem Futtertrog - also ärmlichste Verhältnisse. Gott kommt in dieser Armut zur Welt und er erscheint zuerst unter den Armen. Die Hirten, soziale Randgruppen, sind es, die als erste die Frohe Botschaft verkündet bekommen und die sie dann auch weitererzählen.
Wo Menschen zu Menschen werden
Weihnachten ist viel mehr als ein wohlig-warmes Gefühl, die Botschaft dieses Tages ist keine sentimentale oder windelweiche. Nein, sie fordert uns vielmehr heraus, ganz Mensch zu werden. Sie zeigt den Weg an hin zu mehr Frieden und Versöhnung, Gerechtigkeit und Menschwürde - in uns und um uns herum.
Die Menschwerdung Gottes führt uns hin zu den Menschen, die uns Nächste sind, besonders auch zu den Armen, Kranken, Einsamen, Ausgegrenzten. Und sie fordert von uns den Einsatz für eine menschlichere Welt. Meistens wird Gott ganz leise Mensch, dort, wo Menschen zu Menschen werden. Verwahren wir diese Botschaft gut in unseren Herzen und fügen wir sie zusammen, so wie wir es in der Bibel von Josef und Maria hören.
Mag. Wolfgang Bögl, Theologischer Assistent der KMB Linz